Was gibt den finalen Ausschlag zum besonderen Gelingen einer Sache? Freunde, das ist die Liebe. Es ist die innige Liebe, ob zur Sache oder zur Person, die zur Begeisterung, zur Anstrengung unbeschreiblich motiviert sowie Fähigkeiten, Kräfte mobilisiert.
Dieser Gedanke schoss mir intuitiv durch den Kopf, als ich anlässlich einer Geburtstagsfeier - unweit von Bern - an der mehrere Blaskapellen teilnahmen, der Chisertaler Blaskapelle zuhörte. Diese Geburtstagsfeier wurde von der eingeladenen Jugendplaskapelle Veselá muzika Ratíškovice eröffnet, die ich moderierte und mit der Chisetaler Blaskapelle würdig abgeschlossen.
Chisetaler Blaskapelle, Schweiz |
Wo soll ich anfangen? Die Partie strotzt von Begeisterung für die mährische Blasmusik. Die Begeisterung ist derart enorm, dass man derartige Situationen in meiner kulturellen Heimat mit dem sofortigen Gang in den nächsten Weinkeller löst. Für mich grenzt es an ein Wunder. Woher kommt ein derartiger Virusbefall her? Die Schweiz liegt wirklich nicht hiner den "Humny", am Dorfrand, wie man in Mähren sagt.
Woher kommt der Name Chisetaler? Jetzt ist an der Zeit, dass ich nicht nur vom Tschechischen ins Deutsche, sondern auch vom Berndeutschen ins Deutsche - sicher zwei Welten :-) - übersetzen darf. Die Blaskapelle wurde nämlich 1977 in Kiesen - Kiesen liegt in der Schweiz im Aaretal zwischen Bern und Thun - gegründet. Kiesen im Heimatdialekt heißt "Chise". Das Berndeutsche ist für mich - wie ich mich vor Ort überzeugen konnte - ähnlich wie ein Dialekt vom Neuchinesischen - alles "verschlüsselt" :-)Die Begeisterung ließ seit der Gründung - wie aus den von dieser Partie herausgegebenen Infoheften für die Anhänger-Community hervorgeht - in keiner Weise nach, viel mehr ist sie weiter gestiegen. Die entscheidende Zündung erfuhren die Gründungsmitglieder, so scheint es zu sein, aber mit dem Besuch des Blasmusikfestivals in Ratíškovice im Jahre 1990. Die Kontamination mit dem mährischen Virus ist bis heute evident. Davor waren sie schon in Kolín, wo sie so zu sagen mit einer "Schnuppernabsicht" mit viel Neugier hinfuhren und erwischten ausgerechnet Mistříňanka am Podium. Das dürfte sie sehr beeindruckt haben. (Mistříňanka gehört zu jenen Partien, die nach wie vor die echt traditionelle, mährische Kultur transportiert, wie Šohajka und eine Handvoll anderer durchaus hochkarätiger mährischer Blaskapellen, die im Bereich der "Vermarktung" nicht so geläufig sind).
Die Chisetaler, meinen verfügbaren Quellen zufolge, waren immer bestrebt, mit der mährischen musikalischen Heimat vielfältige Kontakte aufzunehmen und zu pflegen, ich nenne hier der Kürze halber nur den Namen Kameník.
Bänz, der "Es"-Kapellmeister |
Kurt, der für einen |
Seit 2000 übernahm Bänz, der Es-Klarinettist dieser Gruppe, mit vollem Namen Bendicht Winzenried, die Geschicke der Blaskapelle in die Hand. Bänz ist im tiefen Herzen ein Fanatiker mährischer Blasmusik. Ich habe mit ihm nur kurz gesprochen, aber seinen Fanatismus sieht man ihm in den Augen an ohne sich mit der úblichen Unfähigkeit zu befassen, Geschichte der Begeisterung in zwei Sätzen erörtern zu können. Ich habe damit kein Problem. Er strahlt seine Begeisterung auch unmittelbar in die ganze Formation hinein. Im Herbst 2007 feierten die Chisetaler ihren 30-sten Geburtstag, ein ziemlich langer Zeitraum im Wirken einer Blaskapelle.
Die Partie produzierte im Laufe der etwa 30 Jahre eine Handvoll von Tonträgern, einige davon aufgenommen in Tschechien. Ich finde es einfach ganz toll, dass zur Produktion auch die Spieler aus eigener Brieftasche beigetragen haben, ein weiterer Hinweis auf die Devotion, mit der sie alle diese Musik betreiben. Bei der nächsten CD Aufnahme im Studio Raichman bin ich gerne bereit, mich persönlich um die ganze Partie zu kümmern, denn letztes Mal war es im Bezug auf Aufenthalt und Betreuung zwar gut, es ließe sich aber, wie ich glaube, noch weiter optimieren :-)
Und was erachten die Chisetaler für die Zukunft als wichtig? Daniel Weibel, Tenorhorn: "Unser Publikum schätzt die alten ehrwürdigen Komponisten wie z.B. A. Žváček, R. Štrubl oder M. Prajka ebenso. Und auch aus der Sicht von mir als Musikant, macht es viel Freude, neben der technischen Herausforderung von modernen Kompositionen auch die harmonisch und musikalisch hochstehenden Kompositionen der älteren Generation wiederzugeben. Respekt und Sorgfalt sind hier gefragt."
"Was hält eine Hand voll Musikanten 30 jahre zusammen?" stellt sich Andreas Nussbaum, der B-Klarinettist der Gruppe als Frage und weiß darauf zu antworten: "Die Leidenschaft, gute Musik zu machen sowie eine wirkliche Kameradschaft und eine gegenseitige Achtung. Dazu braucht es den vollen Einsatz aller Musikanten. Die menschlichen Qualitäten müssen einfach stimmen."
Und noch ein kleiner Nachsatz von mir. Die Chisetaler sind echte Amateure alter Prägung. jeder von der Partie hat einen handfesten Beruf, von dem er lebt. Die Musik, wie es auch in Mähren nach wie vor weitgehend gilt, machen sie aus purer Freude Für mich ist es bereits Grund genug, darüber zu schreiben.
Der Zügang der Chisetaler zur mährischen Blasmusik ist, wie übrigens auch der Zugang der Schweizer zur Arbeit überhaupt, wie mir scheint, die Dinge stets anständig anzupacken.
Ich habe die Chisetaler Balskapelle ins Herz geschlossen.