Duben/April 2010: Dechová hudba Vlado Kumpan a jeho muzikanti

Im vereinten Europa wird man vermutlich vergeblich einen Anhänger der böhmischen Blasmusik finden, für den die Blaskapelle Vlado Kumpan und seine Musikanten ein unbekannter Begriff ist. Genauso wird es aller Wahrscheinlichkeit nach wenige Blaskapellen dieser Gattung geben, über die in der breiten Öffentlichkeit häufig, nicht minder sehr leidenschaftlich Diskussionen geführt werden.

Vlado Kumpan Perspiration erfordert geeigneten Ausgleich

Vlado Kumpan mit seiner Crew steht oft vor einer nicht immer ausgesprochen leichten Aufgabe, mit seiner Anwesenheit nicht nur das Publikum zu unterhalten, sondern vor allem eine gelungene Veranstaltung bzw. ein positives Saldo der Veranstaltungskasse zu garantieren. Der Blick auf den Beitrag dieser Blaskapelle lediglich aus dieser Perspektive greift zu kurz und bliebe beachtlich verzehrt und weitgehend unausgeglichen.

Vlado Kumpan, der Konzeptionskopf und Zugspferd dieser Formation ist im Bereich der gegenwärtigen böhmischen Blasmusik ein seltenes Phänomen.

Er wurde am 11. April 1972 in Skalica (in der heutigen Slowakei) geboren, einem Städtchen im geographischen Kerngebiet der mährischen Blasmusik mit reicher folkloristischer und blasmusikalischer Tradition. (In Skalica ist auch die bekannte Blaskapelle Skalicané beheimatet).

In weiterer Abhandlung unternehme ich den Versuch, einige wenige Grundzüge seiner  Persönlichkeit  aus meiner Sicht zu skizzieren sowie den Beitrag dieser Blasformation zum  gesamten Segment der böhmischen  Blasmusik in der Gegenwart hervorzuheben.

Wenn´s den Kumpan nicht gäbe, gäbe es auch nicht die Kumpan-Musikanten, "No naa", freilich. In seiner grundlegenden Auffassung hinsichtlich der Voraussetzungen für eine spitzenmäßige interpretative Darbietung der Blasmusik steckt aber gerade das Geheimnis. Vlado zeichnet sich durch enorme Zielstrebigkeit, systematische,  zähe Arbeit an sich selbst, eiserne Selbstdisziplin aus, was zusammengenommen das solide Fundament ergibt, auf dem er seinen Ehrgeiz in die Realität mit klarem Kopf umsetzt. Ein Talent zu haben ist eine schöne Sache. Wir wissen aber alle, wie weit sich bloß nur mit dem Talent ohne tägliche und disziplinierte,  praxisbezogene Ausübung konkreter Tätigkeit kommen lässt. Einer wiederholenden Tätigkeit, die in der Regel die begrenzte Zeit unseres  schönen Daseins in großen Portionen unbarmherzig schluckt. Jeder professionelle Zugang sowie das perfekte Beherrschen einer Disziplin setzt ein nie nachlassendes Selbstbewusstsein voraus, jenen Lebensbrunnen, aus dem man die nötigen Unmengen motivierender Kraft zur jedweden Tätigkeit schöpfen kann.

Kumpan-Crew am 1. Winzerfest in Vlčnov 2009

Vlado eignete sich durch einschlägiges Studium nicht nur die umfassende Musiktheorie, sondern vor allem durch zahllose Auftritte als "wandernder Solist" in weiten Teilen Europas die unabkömmliche Praxis. Sechs Jahre lang besuchte er das Konservatorium in Bratislava. Mit seinen 20 Jahren setzte er weitere 4 Jahre im Studium an der Musikhochschule bei Prof. Kamil Roško fort. Während seiner letzten Studienjahre bekam er bereits Engagements beim Nationaltheater und dem Rundfunkorchester in Bratislava. Zu jenem  Zeitpunkt ahnte wahrscheinlich noch niemand,  was die blasmusikalische Gemeinde zu Beginn dieses Jahrtausends noch überraschen wird. Vlado trat in weiterer Folge, gemischten Einladungen folgend,  in den verschiedensten Formationen, kleinen oder größeren, weniger oder mehr bekannten auf. Er lerne das Publikum, Unterschiede in der Mentalität, Verhältnisse,  Umstände kennen. Überall lernte er jedes Mal eine Menge Neues dazu und sammelte sorgfältig diese wertvollen Erfahrungen. In seinem kleinen Koffer, den er stets bei sich hatte, trug er eigene CD-Aufnahmen mit, die er nach Konzerten feilbot. Auf diese Weise betrieb er eine bescheidene Werbung zu seinem eigenen Gunsten, in kleinen Schritten. Ich erlebte es einmal auch als Vlado an einem schönen Vormittag auf Einladung der mittlerweile nicht existierenden Blasformation von Karl Schneeweiss im niederösterreichischen Mannersdorf auftauchte. In einem sehr kleinen Rotkreuz-Zelt beim Frühschoppen  gab es etwa 40 Besucher, von denen etwa gute 30 mit dem Rücken zu den Musikern saßen. Vlado unter diesen  war bemüht, wie stets immer, sein Bestes zu geben. Der überwiegende Teil des Publikums war allerdings mit dem Verzehr gebratener Hühner vollends beschäftigt. Nach seinem Auftritt erfuhr ich im Gespräch mit ihm, dass er noch schnell nach Hause fahre, ehe er weitere, für kommende Woche bereits zugesagte Termine irgendwo in deutschen Landen wahrzunehmen gedenkt.

Vlado wusste immer, was er will, was in ihm schlummert und vor allem, warum dem so ist.
Als zum späteren Zeitpunkt  die Idee langsam reifte und Gestalt annahm,  eine eigene Blaskapelle selbst zu gründen,  die er unter seine Fittiche stellen würde,  fanden die reich gewonnen Erfahrungen  ihre Anwendung.  Dies geschah in den Herbstmonaten des Jahres 2001, als Vlado eine gezielte Selektion unter den aktiven Musikanten der mährischen Blasmusikszene vornahm. Das Angebot war nicht gering. An ausgezeichneten Musikanten gab es in Mähren nie eine Not.

Es gibt nicht den geringsten Zweifel daran, dass die Kumpan-Crew  mit ihren  breitbandigen Interpretations-Fähigkeiten imstande ist,  beinahe  jeden Geschmack und jede Erwartung des Publikums zu erfüllen. Insbesondere auch jene  Erwartungen des heimischen Publikums im mährischen Blasmusik-Kernland,  das die  traditionelle Art der Darbietung mit allen Feinheiten und Besonderheiten besonders schätzt.  Diese enorme Flexibilität kommt einem starken Joker dieser Formation gleich.  Als vorrangiges Ziel verfolgt  Kumpan jedoch nicht, wie sich auch beobachten lässt,  seine Darbietungen im Sinne  tradierter, etablierter Blasmusikformen in der ursprünglichen heimischen Fassung mit dem allfälligen, begleitenden Kolorit zu gestalten. Seine Maxime lautet vielmehr, sich stets dem Geschmack sowie den Erwartungen des („zahlenden“)  Publikums zu unterordnen.  Das breite Spektrum vorhandener Interpretationsfähigkeiten dieser Crew macht dieses natürlich leicht möglich.

Europa ist groß. Nicht überall hatte die Blasmusik die gleiche Entwicklung verzeichnet. Unsere Gegenwart mit ihrer hohen Mobilität gestattet rasche Verbreitung von Gut, Ideen, Gedanken, Musik. Musik kann man leicht an einen weiten Ort verlegen.  Ziemlich oft kann aber der neue Zuhörer den ursprünglichen Gesangsinhalt nicht nur nicht nachvollziehen, sondern infolge von vielen Umständen auch den pragmatischen Kontext nicht begreifen.  Mitunter steht auch das Interesse für die Folkloretradition nicht immer und Apriori im Vordergrund. Oft findet man das Auslangen mit einer gemütlichen Atmosphäre im Kreis Bekannter oder Freunde bei einem Glas. Vlado Kumpan verfügt über reiche Erfahrungen, um in dieser Hinsicht die Art und Weise der musikalischen Präsentation, Stückwahl sowie der  Interpretationsart so zu gestalten, dass die Blasmusikfans überwiegend ihr Gefallen daran finden. Und so kann Vlado-Crew oft spielend  unterhalten. Es geht so weit, dass sich mancher hin und da eines Schmunzelns nicht verkneifen könnte. Vor allem dann, wenn  die allseits beliebte, heiß geliebte „Jihoceská polka“ von Ladislav Kubeš Vater,  in der choreographischen Feinausgestaltung derart gespielt wird,  dass die Musikanten liebevoll  (allen voran das Tenorduo) ihre Runden im enten-ähnlichen watschligen Schritt am Podium drehen. Nun ja, anderes Land, andere Sitten.  Einigen heimischen Blasmusikfans könnte es leicht als - na sagen wir einmal hinsichtlich der beliebten Tradition - ein wenig ulkig oder sogar „pietätlos“ erscheinen. 

Außergewöhnlicher  Verdienst der Kumpan-Formation  um die böhmische Blasmusik besteht zweifelsohne in ihrer unermüdlichen, sehr wirksamen  und omnipräsenten Werbung durch ihre zahllosen Auftritte. Ernst Mosch trug zeit seines Lebens, vor allem in Deutschland,  die symbolische Fahne der böhmischen Blasmusik hoch und forcierte mit seinem Tun und Wirken  ihre Verbreitung vor allem  in der kritischen Nachkriegszeit während der politischen Finsternis in Osteuropa.   Ebenso darf nicht unerwähnt bleiben, dass auch Jan Slabák in der Zwischenzeit ein maßgeblicher Anteil an der flächendeckenden Revitalisierung und Verbreitung der böhmischen Blasmusik zukommt. Infolge der gegenwärtigen, günstigen geopolitischen Verhältnisse kann nun die Kumpan-Formation ihre Mission  im gesamteuropäischen Kontext uneingeschränkt wahrnehmen.  Ihre Aktivitäten tragen in der Folge dazu bei, dass sich immer mehr Fans für die hier besprochene musikalische Gattung begeistern.  Es überrascht nicht, dass das gezündete Interesse bei manchen zu einem weiteren, vielleicht auch tiefer  gehenden Interesse für die Blasmusik führt. Unter Umständen bis in den Bereich der langjährigen blasmusikalischen Tradition, zu den Roots,  in denen sich dann vielfältige Äußerungsformen und andere bemerkenswerte Facetten dieses reichen Metiers entdecken lassen. Ich bin davon überzeugt, dass der erwähnte Beitrag zur aktiven Dissemination der böhmischen Blasmusik  der Blasformation Kumpan  einen ehrenhaften Platz in der blasmusikalischen Geschichte sichert.

Es darf die Jahreshäufigkeit  der Auftritte der Blaskapelle nicht unerwähnt bleiben.  Mancher stellt sich sicher die Frage, wie es denn nur möglich sei, so viele Termine zu bewältigen, insbesondere wenn wir uns vor Augen führen, unter welchen wirren Begleitumständen diese Termine wahrgenommen werden.  Überwiegender Teil dieser Auslandsauftritte sind doch mit halsbrecherischen, viele Stunden in Anspruch nehmenden Wochenend-Ausfahrten in Hunderte Kilometer von den Nahen in der Heimat weit gelegenen Destinationen verknüpft.  Ökonomische Anreize allein, wie´s manche bei Glas Bier vermutlich locker abtun, sind bei weitem nicht die einige sprichwörtliche Allmotivation,  die diese Blasformation „in Bewegung“ hält. Hinsichtlich der Aktivitäten der Blaskapelle Kumpan und seine Musikanten teile ich vielmehr die Auffassung, dass derartige Opfer nur  sehr engagierte, außergewöhnlich musikalisch motivierte Persönlichkeiten, aus denen sichtlich die ganze Formation besteht, aufbringen können.

Vlado Kumpan und seine Musikanten brachten mit ihren Auftritten manche Herzen der Blasmusifans zum Glúhen und ernteten schon viele Erfolge. Für den größten allerdings erachte ich ihren Auftritt in einem der berühmtesten Musiktempel der Welt, Carnegie Hall in New York, einem Ort, der nur den größten Stars, vor allem der Opernwelt, vorbehalten wurde.

Die schlichte Ankündigung lautete:
 
Wozu Etiketten, die so genannte „Meisterschaft“ verheißen? Vlado Kumpan und seine Musikanten kommen auch ohne diese mit Sicherheit ganz gemütlich aus.