Skladatel Blahoslav Smišovský - Odešla legenda moravské dechovky / Komponist Blahoslav Smišovský - Legende der mährischen Blasmusik hat uns verlassen

Zu meinem Besuch bei Slávek Smišovský, den wir miteinander ausgemacht hatten, kam es nicht mehr. Am Montag den 14. November 2011 hat mich in den Abendstunden eine traurige Nachricht ereilt. Nach einer länger dauernden Krankheit hat uns Slávek verlassen und kehrt vom Musikantenhimmel nie mehr zurück.

Die Gemeischaft der böhmischen Blasmusik verliert mit Abgang von Slávek einen Menschen mit einem Riesenherz und Gefühl für Schönheit, menschliche Güte und Liebe. Slávek war eine große Persönlichkeit, ein aufrichtiger Mensch mit einwandfreiem Charakter, ein großer Liebhaber der Folklore und des Volksliedes, ein außergewöhnlich empfindsamer und talentierter Musiker. Ich beschreibe ihn so wie ich ihn kennenlernte. Ich hatte die Ehre, die Familie Smišovský nicht nur kennen zu lernen, sondern mich mit Slávek auch viele Stunden über Blasmusik und Menschen rundum aus verschiedenen Blickwinkeln zu unterhalten. Mein Besuch plante ich in der Regel für eine grobe Stunde, die nie eingehalten werden konnte trotz meiner fixen Absichten. Sie wurde im allgemeinen um das Dreifache überzogen.

Die Gattin Věra nahm an unseren Unterredungen in der Regel teil, wenn sie nicht gerade damit befasst war, uns eine kleine Bewirtung aufzutischen. Dabei bereicherte sie gelegentlich Slávek seine Ausführungen mit weiteren interessanten Details. Beide gingen einen beachtlichen Teil ihres Lebens gemeinsam - sie waren über 50 Jahre verheiratet - und so Věra, seiner Zeit auch Sängerin, erlebte in der Tat das musikalische Leben von Slávek unmittelbar auf seiner Seite.


Slávek hatte eine Gewohnheit, meinen Besuch zu "ritualisierten". Aus seinem Adressbuch nahm meine Visitenkarte heraus, die ich ihm bei unserer ersten Begegnung auf sein Verlangen hin spontan entwarf und wies darauf hin, dass er diese weiterhin bewahre, was wiederum mich ein Schmunzeln entlockte. Nachdem er mich mit einem schönen mährischen Namen getauft hat, nannte er mich dann nicht anders als "Tonecek". Der Abschied am Besuchsende von beiden Smišovský war immer sehr rührend. Slávek setzte sich im Zimmer, auch gelegentlich "Museum" genannt, zum Harmonium und gemeinsam mit Verka sangen ein Abschiedslied. Meinen ersten Abschied von ihnen empfand ich extrem emotional mit größter Mühe, Tränen zu unterdrücken. Anderen Besuchern ging es beim Abschied vermutlich auch nicht anders. Noch vor Jahren war es bei den Blaskapellen ein Brauch, wenn diese an Uherský Ostroh mit dem Autobus vorbei fuhren, dass sie einen kleinen Abstecher zu Smišovský machten und vor seinem Haus spontan aufspielten.

Slávek führte ein sehr produktives Musikleben. Er beschäftigte sich nicht nur mit der Beobachtung der Natur und ihrer Erscheinungen sowie dem Studium menschlicher Beziehungen. Sein Aufnahmevermögen projizierte er in Kompositionen, von denen manche spontan und in kurzer Zeit entstanden waren. Er war aber auch in pädagogischer Hinsicht sehr aktiv und half, ohne auf eigenen Vorteil bedacht zu sein, vielen Menschen sich auf die sonnigen Plätze der Blasmusik zu profilieren. Slávek ist Autor von über 500 Kompositionen, Polka-Stücken, Walzern, vor allem aber so genannten "táhlice" mit lyrischem Inhalt ("táhlice" sind langsame, besonders melodische lyrische Lieder mit besinnlichem Inhalt), Lieder mit Weihnachts- und Kirchen-Tematik, Musik für Kinder u.a.m. Seine Manuskripte, Bücher, CD´s, das Klavier sowie ein kleiner Schreibtisch in der Ecke füllen des Zimmer im Erdgeschoß des Hauses, wo sich Slávek in seinem Element fühlte. Dort empfing er auch Gäste. Er unterhielt einen regen, persönlichen Kontakt mit einer zahlreichen Gruppe von Menschen nicht nur aus der Heimat, sondern auch aus den benachbarten Ländern. Es war keine Seltenheit, dass seine Gäste auch einander kennengelernt haben, die sich davor persönlich nicht kannten. Im Nebenzimmer, in dem das Harmonium einen prominenten Platz einnahm, sonst aber ein Zimmer zur Gänze mit Souvenirs und Geschenken verschiedenster Art gefüllt, verbrachte Slávek, geplagt von lästiger Krankheit, die letzten Monates seines Lebens.

"Toneček, hast du schon diese gehört ...?"

Slávek Smišovský stammte aus Vysocina ab, dem malerisch hügeligen Landstrich zwischen Böhmen und Mehren, einem Gebiet, reich an Naturschönheiten. Er wurde am 8. März 1931 in Dolní Cerekev, geboren, einem kleinen Gemeindeort unweit von Iglau. Er wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf, wo er schon in seiner zarten Jugend dazu angehalten wurde, sich aktiv am Aushelfen in der kleinen Hauswirtschaft zu beteiligen. Seine Beobachtungsgabe, Empfindlichkeit und Aufnahmevermögen war wahrscheinlich auf den Einfluss seiner Mutter zurückzuführen, die ausgezeichnete Sängerin war. Slávek hegte sein ganzes Leben eine hohe Achtung vor seiner Mutter, die auch in seinen Kompositionen ihren Niederschlag findet. Es dürfte vermutlich auch der Verdienst der Mutter gewesen sein, die in der Volkskunst, im Volkslied großes Vergnügen fand, dass das empfindsame Herz des Jungen musikalisch sensibilisiert wurde. Wie es zu jener Zeit üblich war, begann auch er zuerst den Geigenunterricht zu nehmen. Zu Geigen gewann Slávek keine sonderliche Beziehung. Auf einen Vorschlag vom Vater spielte er daher mit ihm und dem Onkel eine Trommel in der örtlichen Blaskapellen von Herrn Konír. Die starke Neigung zur Musik fiel aber dem Vater auf. Er besorgte dem Buben als Ersatz für die Geige ein übertragenes Harmonium. Das Harmonium fand beim Buben eine viel größere Akzeptanz. In weiterer Folge nahm er noch weitere Instrumente hinzu, Ziehharmonika, Byriton und Posaune. Mit seinem empfindsamen Herz nahm er vielfältige Äußerungen seiner Umwelt war, oft auf ihrem Acker, wo er auf weidende Kühen aufpasste. Er empfand zunehmend das Bedürfnis, die empfundene Naturschönheit und Harmonie, mit der er so tagtäglich konfrontiert war, in musikalischem Sätzen festzuhalten. Die ersten derartigen Versuche brachten aber bald die Erkenntnis mit sich, dass es ohne anständige musikalische Ausbildung nirgends hinführt. Sein zukünftiges Leben bekam eine klare Ausrichtung. Er begann mit einem umfassenden Studium der Musik, anfangs als Autodidakt, nahm Klavierunterricht, lass einschlägige Literatur, ständig vervollständigte sein Wissen. Schließlich wurde er ordentlicher Student an der Pädagogischen Fakultät der Masaryk Universität in Brünn, wo er seine Studien im Fach Musik und Tschechisch mit Erfolg absolvierte.

Nach der Brünner Studienzeit folgte der übliche Präsenzdienst beim Militär, den er in Jicín zu absolvieren hatte. Das Schicksal und sonstige Umstände brachten ihn im Zuge des Präsenzdienstes in die slowakisch-mährische Wein-Stadt Bzenec. Dort wurde er als Musiker mit der Aufgabe beauftragt, innerhalb einer Woche ein Gesangschor auf die Beine zu stellen. Die so entstandene Gruppe sollte anlässlich einer erfolgreichen Jahresplan-Erfüllung des volkseigenen Betriebes Dyas in Uherský Ostroh für einen musikalischen Rahmen mit Gesang zu sorgen. Einen derartigen Gesangskörper bloß in einer Woche zusammenzustellen? Unmöglich? Das Gesangschor wurde unter der Leitung von Smišovský zusammengestellt, die Feier fand statt. Nach Auftritt dieses aus Soldaten bestehenden Gesangstrupps war am Programm noch eine örtliche Blaskapelle mit zwei Sängerinnen. Die eine Sängerin bezauberte Slávek, es folgte ein schöner Tanzabend beim Glas Wein. ... Slávek hat in weiterer Folge Verka nicht nur geheiratet, sondern fand auch in Mährisch-Slowakei seine neue Heimat, die er so liebte. Wie sich heraustellte, war seine neue Heimat während des ganzen Lebens der entscheidende Nährboden für sein umfassendes Schaffen.

Slávek Smišovský war immer ein bescheidener Mensch, nie empfand er das Bedürfnis, auf sich aufmerksam zu machen oder seine Kompositionen feil zu bieten. Seine innige Liebe zu seiner neuen Heimat wurde aber auf geheimnisvolle Weise in die Noten, mit denen er seine Empfindungen festhielt. Und das fiel den anderen in der Umgebung auf. Sie fühlten sich angesprochen. Slávek erwähte immer mit Hochachtung die Blaskapelle Bojané aus Dolní Bojanovice. Bojané waren die Ersten, die seine lyrischen Kompositionen unter den Zuhörern verbreiteten. Es dauerte nicht lang und es folgte die Blaskapelle Mistrínanka, dann Stríbrnanka, Moravanaka und viele andere Blaskapellen aus naher und entferner Umgebung. Novoveštanka aus unweit entferntem Ort Nová Ves war die erste Blaskapelle, die eines der bekanntesten Stücke "Ty falešná frajárko" spielte, eine Art Signatur von Smišovský seinem Schaffen. Die letzten zwei Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts waren Slávek seine Kompositionen sehr populär, vor allem in ihrer Heimat, der MährischäSlowakei, weil sie die Schriftzüge eines Menschen trugen, der dieses Land so ins Herz geschlossen hatte. Es war ein Zeitraum, wo Slávek infolge enormer Nachfrage am Meisten produktiv war.

In Slávek seiner Seele wurden vielfältigste Einfälle geboren, von denen viele ihre Quelle in der Kinderzeit hatten, die sich mit der Realität seines täglichen Lebens in der mährisch-slowakischen Umgebung vermengten. Von seinem Bubenalter auf neigte er dazu, musikalische Einfälle und Motive, sei es auch nur bruchstückhaft, in kleinen Notizheften festzuhalten. Als einen fruchtbaren Tag betrachtete er einen solchen, an dem es ihm gelang, auch die einfachsten Ideen festzuhalten. Zu diesen Tagebüchern kehrte er bei seiner fortwährenden Kompositionstätigkeit immer wieder zurück und schöpfte aus diesen. Viele Texte schrieb er zu seinen Kompositionen selber. Die Konstellation des Komponisten und Texter in einer Person sah er als ein Ideal an. Er arbeitete aber mit einer Reihe von Textern zusammen, von denen es einigen gelang, seine Kompositionen in besonderer Weise zu beflügeln. Mit einem besonderen Funken in den Augen erinnerte sich immer an den Schriftsteller und Dichter František Kožík, mit dem ihn eine innige Freundschaft, gegenseitige Schätzung und wahrscheinlich auch die gleiche Blutgruppe verband. Kožík genügten oft zwei, drei Sätze als Bemerkungen zur entstandenen Komposition, um die Gefühlslage von Slávek genau zu erkennen. Dies fand dann auch, wie Slávek bemerkte, wie ein Abguss ihren Niederschlag im Begleittext. Zu weiteren Textern gehörten: Stanislav Pencík, Ružena Sypenová, Václav Babula, Václav Renc, Slávek Ostrezí, Vladimír Salcák, Hana Ciháková, Svatopluk Radešínský, Jaroslav Hájek, Marie Kolomazníková und viele andere.

Slávek Smišovský bekam für seinen Gesamtbeitrag für die Volks- und Blasmusik, der er sein ganzes Leben widmete, eine Reihe heimischer und ausländischer Anerkennungen, die die Wände seines Arbeitszimmers schmücken. In der Kollektion verschiedener Abbildungen befindet sich unter anderem auch Antonín Dvořák, der von Slávek in besonderer Weise geschätzt wurde.

Begräbnis (Nachtrag)