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Josef Ištvánek, Monsterkonzert Ratíškovice 2007

Nach einer längeren "Funkstille" setzte ich mich wieder hinter meinen Arbeitastisch, dessen Aufräumung mir nie so gelingt, wie´s mir meine Vorstellungen nahelegen.

Den Beitrag will ich einem Menschen widmen, der für die mährische Blasmusik viel getan hat. Über diesen Menschen nur für Fans im mährischen Raum zu schreiben, wäre dem sprichwörtlichen "Tragen von Holz in den Wald" gleich. Über seine verdienstvolle Tätigkeit weiss dort Bescheid  beinahe jeder, der auch nur teilweise mit der Blasmusik in Berührung gekommen ist. Aus vielen Begegnungen entstanden zahlreiche freundschaftliche Beziehungen, die weiterhin gepflegt werden. Daraus leitet sich auch meine Motivation ab, diesen Menschen dem mitteleuropäischem Publikum der böhmischen Blasmusik ins breitere Bewusstsein zu rufen. Er verdient es.

Einen triftigen Grund dazu habe ich nun auch.

Röschen begegnete mir / Potkal jsem růžičku Musik Václav Maňas Jun., Text Stanislav Pěnčík   s spielt und singt Mladá muzika Šardice   künstlerische Leitung Josef Ištvánek 3.CD "Potkal jsem růžičku"

Josef Ištvánek feierte zu Beginn dieses letzten Monates des ausgehenden Jahres seinen runden 70sten Geburtstag. Geboren wurde Josef am 9. Dezember 1944 in Šardice (paar Kilometer westlich von Hodonín) in eine Landwirtschaftsfamilie mit musikalischem Hintergrund. Sein Vater hatte viele Jahrzehnte die Stellung des Orgelspielers in der örtlichen Kirche inne, die Mutter unterstützte die musikalische Neigung in der Familie durch die Pflege eines harmonischen Umfeldes. Es sei angemerkt, dass nicht nur die Gemeinde Šardice, sondern die ländliche Umgebung im weiten Umkreis durch alte, gelebte Volkstradition stark durchwirkt ist, zu denen selbstverständlich auch die Blasmusikpflege gehört. Die weitere Entwicklung des damals kleinen Josef war durch diese Atmosphäre in einem erheblichen Maß beeinflusst. es kann daher kaum überraschen, dass auch er von seiner frühen Jugend eine merkliche Zuneigung zur Musik in sich verspürte.

Ein entscheidender Augenblick in seinem Leben kam mit der Entscheidung, die Musik zum Beruf zu erheben. Es war klar, dass eine professionelle musikalische  Tätigkeit geeignete theoretische und praktische Vorarbeit erfordert. Diese Fertigkeit gewann Josef, wie übrigens eine Reihe bedeutender musikalischer Persönlichkeiten in der Republik, die ich gelegentlich bei anderen Anlässen bereits erwähnte, an der angesehenen Militärmusikschule in Roudnice nad Labem. Diese Prestige-Institution vermittelte jungen Leuten nicht nur einschlägige theoretische Kenntnisse sowie - in der Regel - die Beherrschung von mehreren Instrumenten, sondern vor allem disziplinierten Zugang zur Musik. Josef lernte gerade dort die Blasinstrumente Baryton und Posaune perfekt zu beherrschen.

Hier eine Bemerkung am Rande. Die politische Entwicklung im Lande im Laufe der letzten 10 Jahre brachte es mit sich, dass nicht nur die erwähnte,  bedeutende militärische Musikinstitution in Roudnice aus der Oberfläche weggefegt wurde, aber Schritt für Schritt - bis auf einige Ausnahmen - praktisch alle aktive militärische Musikeinheiten in der ganzen Republik. Ich bin persönlich davon überzeugt, dass sich dies im zivilen blasmusikalischen Bereich flächendeckend negativ auswirken wird. Nicht zufällig galt lange Zeit der Spruch in weiten Teilen Europas "Ein Tscheche, ein Musikant". Im Laufe einiger weniger Jahre wurde eine alte, ständig gepflegte musikalische Tradition brutal übers Bord geworfen. Un mit welcher Begründung? Neue Richtlinien, neuer Einfluss seitens der NATO. OK, also vielen Dank dafür. Das war uns der Teufel schuldig.

Nach dem erfolgreichen Absolutorium in Roudnice im Jahre 1962 wurde der Absolvent Josef Ištvánek zur Musikgarnison der paramilitärischen Einheit in Prostějov zugeteilt. Sein erfolgreiches Wirken bei dieser Einheit wird bis zum Jahre 1974 datiert. Ein "vorzeitiger" Abgang von dieser Einheit war auf gewisse eingetretenen Schwierigkeiten zurückzuführen gewesen, die im Kern mit dem Eintritt der "befreundeten" Armeen des Warschauer Paktes im Jahre 1968 zusammenhangen. Bei Josef kamen moralische Bedenken über seine Tätigkeit beim Militär auf, er verspürte ein grundlegendes Problem.

Josef Ištvánek kehrte daher in seinen Geburtsort Šardice zurück. Und was hat ihm das Schicksal vorbereitet? Nichts anderes, als das was auch vielen anderen Musikern in ähnlicher Situation vom Schicksal beschert wurde. Musikanten, die eine fundierte  Tätigkeitsperiode bei der Militärmusik durchmachten: Auch im Zivil in der musikalischen Tätigkeit fortzufahren. Um so mehr, wenn man bedenkt, dass das nördliche Gebiet der Mährisch-Slowakei, insbesondere der Landstrich, wo Kyjov, Šardice, Dubňany, Mistřín, Svatobořice, Ratíškovice und viele andere Orte liegen, mit Volks- und Blasmusikmanifestationen stark "kontaminiert" ist.
 
Ich habe an dieser Stelle nicht die Absicht, eine detaillierte Chronologie seiner Wirkung anzuführen. Vielmehr beschränke ich mich auf die Feststellung, dass man Josef Ištvánek, als musikalischer Pädagoge unterwegs, im erwähnten Gebiet praktisch überall angetroffen werden konnte. Man könnte vielleicht auch sagen, ähnlich, wie es beim Josef Frýbort seinerzeit der Fall war. Josef, im Kreis der Freunde und Bekannten aber geläufiger Jožka  genannt, nahm sich der musikalischen Erziehung von Jugendlichen in erster Linie in Dubňany, Šardice  und Ratíškovice an. Und wie haben sich seine Bemühungen in der Öffentlichkeit geäußert? Es genügt einige der von ihm künstlerisch betreuten Blaskapellen anzuführen, die sich beim Publikum eines besonderen Zuspruches erfreuen konnten und keiner weiteren qalitativen Beurteilung bedürfen: Mladá muzika Šardice, Ištvánci, Šardičanka, Dolanka, Veselá muzika Ratíškovice.

Hier muss ich gestehen, dass mich der Vortrag von Mladá muzika Šardice, insbesondere durch die Innigkeit und bodenständige Echtheit bezauberte, als ich die CD zum ersten Mal in die Hände bekam, aufgenommen unter der Aufsicht von Jožka. Das war der Augenblick, wo ich mich für Jožka  zu interessieren begann. Ihm zu begegnen, war nie in großes Problem, denn in der erwähnten Heimatregion, meistens in Begleitung seiner Frau, fehlte er bei musikalischen Anlässen kaum. So war er ein regelmäßiger Besucher von Festivals in Dubňany, Ratíškovice, Šardice etc. Eine weitere bezaubernde Entdeckung folgte, als ich für mich eine weitere von Jožka betreute Partie, Blaskapelle Dolanka,  entdeckte. Dolanka hatte ihre Tätigkeit im Sommer 2010 beendet (ihre Web-Präsentation habe ich aber im "eingefrorenen" Zustand bei mir aufgehoben, s. dolanka.dechovka.eu).

Es ist angebracht, zumindest in Kürze folgende Ereignisse zu erwähnen, bei denen sich Jožka  maßgeblich beteiligte: Mitwirkung bei der Blaskapelle Šohajka, die in Budweis "Das goldene Flügelhorn" gewann, die großangelegte Teilnahme von Mladá muzika Šardice in Japan im Jahre 2000, die eine Art Höhepunkt seiner unermüdlichen Tätigkeit mit der Jugend aus Šardice darstellte. Als musikalischer Leiter und Dirigent brachte er in weiterer Folge die Blaskapelle Dolanka zum angestrebten Sieg beim "Goldenen Flügelhorn" in Hodonín, wohin der Wettbewerb auf besonderes Zutun von Stanislav Pěnčík verlegt wurde. Für sein enormes Engagement im Bereich der musikalischen Erziehung und Arbeit mit der Jugend erhielt Josef Ištvánek im Jahre 2002 von der Gemeinde Šardice den Titel "Ehrenbürger der Gemeinde Šardice".

Jožka ist ein bescheidener Mensch, der Umgang mit ihm stets problemlos. Mir steht er nahe, vermutlich haben wir beide die gleiche "Blutgruppe":-) Als längere Zeit von mir kein Zeichen der Rührung kam, bei einigen Festivals ich nicht auftauchte, da ich mich im erhöhten Maß Hausarbeiten widmete, kam von Jožka eine E-Mail,  ob alles in Ordnung sei. Dies geschieht nur unter Freunden. Wir werden uns wieder bei irgendeinem Festival treffen, vielleicht auch in Gegenden, wo keiner von uns beiden den anderen erwarten würde, wie etwa im südwestlichen Böhmen beim Festival in Bechyně vor wenigen Jahren.

Jožka hat mit seinem unablässigen Engagement in einem bedeutenden Ausmaß zur Kontinuität der Blasmusik in der mährischen Region beigetragen. Für mich ist es ganz evident, dass Jožka vielen jungen Leuten auf "Musikantenfüße" geholfen hat. Man kann nur hoffen, dass diese Leute für seine Geduld, gepaart mit einer schier unglaublichen Freizeitinvestition ihm gegenüber von Dankbarkeit ewig erfüllt sein werden.

Es ist kein Geheimnis, dass sich Jožka nicht immer bester gesundheitlicher Verfassung erfreute. Umso mehr freut es mich persönlich, dass ich Jožka auf diesem Weg zu seinem 70. Geburtstag gratulieren kann.


(Nachsatz: Die Stücke auf dieser CD gehören zweifelsohne zu Perlen der mährischen Blasmusik. Ganz typisch ist bei diesem Stück der Text vom "Fuchs" Vláďa Salčák. Seine Texte enthalten in der Regel archaische Elemente der menschlichen Beziehung, immer sehr subtil verschlüsselt und umhüllt von einem nicht greifbaren erotischen Schleier. Ich denke mir, das hatte er meisterhaft im Griff).

Alsdann Jožka, gib auf dich acht und auf baldiges Wiedersehen.